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Chronik 1983 – 1995:

Von der Gründung bis zum Zeitalter der Pflegeversicherung


Der Gründer und die Initiative

Edward Clement, ein körperlich beeinträchtigter Mensch, der für jede Tätigkeit der Assistenz und permanenten Begleitung bedurfte, gründete 1983 mit einigen Freundinnen und Freunden aus dem Jugendverband Bund Deutscher Pfadfinder (BDP) den Bund Deutscher Pfadfinder – Projektbereich Behindertenarbeit e.V. (Projektbereich Behindertenarbeit). Dieser war von Beginn an – zuerst nur für Edward Clement, später auch für viele andere Menschen mit umfangreichem Pflege- und Assistenzbedarf – Einsatzstelle für Zivildienstleistende. In diesem Zusammenhang wurde durch das Bundesamt für Zivildienst der später auch noch über Jahre hinaus gebräuchliche Begriff der „Individuellen Schwerstbehindertenbetreuung“ (ISB) geprägt.

Edward Clement war der ideelle und ideologische Kopf des Projektbereiches Behindertenarbeit. Mit seinem Schaffen hat er die persönlichen Einstellungen und Ideale seiner Mitstreiterinnen und Mitstreiter bis zum heutigen Tage maßgeblich beeinflusst. Edward Clement ist im Oktober 1989 verstorben.


Das neue Edward-Clement-Haus – Initiativen, Kultur und Politik unter einem Dach

Im Jahre 1988 kaufte der Projektbereich Behindertenarbeit das leer stehendes ehemalige Bodelschwinghsche Kinderheim mit dem Ziel, dieses für die Projektidee „Wohnen – Arbeiten – gemeinsam Leben von Behinderten und Nicht- Behinderten“ umzubauen. Namensgeber für diese Stätte innovativer integrativer Lebensformen war Edward Clement. In der Zeit von 1991 bis 1993 erfolgte der Umbau des Hauses mit rollstuhlgerechten Wohnungen, Mitarbeiterwohnungen, einer Bildungsstätte, einer Wohntrainingsgruppe (WTG) und weiteren Büroräumen für freie Projekte sowie Unterkünften für Zivildienstleistende. Außerdem wurde eine Kurzzeitpflegeeinrichtung eines vom Projektbereich Behindertenarbeit vollkommen unabhängigen Trägers integriert. Finanziert wurde der Kauf und Umbau des Gebäudes mit Mitteln der Stiftung Wohlfahrtspflege, der Aktion Sorgenkind, der Städtebauförderung (Nordstadt-Programm der Stadt Dortmund), der Stadtsparkasse Dortmund, der Alfred-Herrhausen-Stiftung und aus Spendenmitteln.


Der ISB-Dienst

Der Einsatz von Zivildienstleistenden wurde von Beginn an als eine zwar pragmatische, jedoch den Selbstbestimmungsgrundsätzen in Teilbereichen nicht entsprechende, Möglichkeit zur Abdeckung umfangreicher Hilfebedarfe behinderter Menschen angesehen. Insbesondere Frauen mit Pflege- und Assistenzbedarf wünschten sich für die sehr intimen pflegerischen Verrichtungen Mitarbeiterinnen. Daneben barg der Einsatz von Zivildienstleistenden aufgrund der sich stetig verkürzenden Dienstzeiten das Problem von immer häufiger stattfindenden Personalwechseln.

Im Jahre 1988 beteiligte sich der Projektbereich Behindertenarbeit an einer Grundsatzerklärung paritätischer ISB-Träger mit dem Ziel einer Umstrukturierung zu einer Organisationsform mit fest angestelltem – sowohl weiblichen als auch männlichen – Personal. In dieser Erklärung spiegelte sich der Wunsch des Projektbereiches Behindertenarbeit nach langfristigen, den Hilfebedürftigen persönlich zuzuordnenden Helferteams wider. Ab August 1990 verringerte sich die Zahl der Zivildienstleistenden von ursprünglich 119 dramatisch, sodass eine Einstellung des Angebotes zum 31.12. des Jahres drohte.

Die Stadt übernahm nach öffentlichen Aktionen der Betroffenen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Mehrkosten für die fest angestellten – auch weiblichen – Beschäftigten sowie für die damals schon vom Projektbereich Behindertenarbeit praktizierte Qualitätssicherung. Die Umstellung von Zivildienstleistenden auf fest angestelltes Personal entsprach auch dem ausdrücklichen Wunsch des Sozialhilfeträgers.

Der Projektbereich Behindertenarbeit erreichte damit in Dortmund ein 1990 bezüglich der Personalstruktur und Kundenorientierung einmaliges Modell der ISB. Der hierfür notwendige kostendeckende Stundensatz wurde durch die Liga der Wohlfahrtsverbände mit Politik und Verwaltung der Stadt Dortmund ausgehandelt.

Zu diesem Zeitpunkt waren die strukturell und finanziell einschneidenden Auswirkungen des zukünftigen Pflegeversicherungsgesetzes noch nicht absehbar. Außerdem wechselten zeitgleich zur Einführung und Umsetzung des Pflegeversicherungsgesetzes und den damit verbundenen Anpassungen des Bundessozialhilfegesetzes die verantwortlichen Akteure in Politik und Verwaltung. Hiermit ging ein grundsätzlicher Wandel in der Behindertenpolitik der Stadt Dortmund, auch zu Ungunsten der Kundinnen und Kunden des Projektbereiches Behindertenarbeit, einher. Aufgrund dieser Entwicklungen wurde die Absicht der langfristigen Absicherung des ISB-Dienstes kurzfristig wieder in Frage gestellt.


Das Wohntraining für behinderte Menschen

Aus der langjährigen Erfahrung im Rahmen der ISB heraus wurde deutlich, dass der behindertenpolitisch geforderte Übergang aus der Familie bzw. aus einer stationären Einrichtung in die eigene Wohnung mit ambulanter Versorgung von einem großen Kreis behinderter Menschen zwar gewünscht, jedoch nicht gewagt wurde. Dieser Übergang in ein selbstbestimmtes und selbstverantwortliches Leben sollte durch das neue Projekt „Wohntraining“ mit der Bezeichnung „Wohntrainingsgruppe (WTG)“ für einen befristeten Zeitraum von 6 bis 12 Monaten pädagogisch und sozialarbeiterisch begleitet und unterstützt werden. Eine weitere Zielgruppe setzte sich zusammen aus Personen, die aufgrund eines Unfalls körperlich beeinträchtigt wurden, wodurch ihre Lebensperspektive zusammenbrach. Die WTG setzte an dieser Stelle an und bewies, dass ein Leben außerhalb stationärer Einrichtungen mit den entsprechenden personellen und technischen Hilfen in der eigenen Wohnung weiterhin möglich ist.

Das Wohntraining des Projektbereiches Behindertenarbeit wurde 1993 mit politischer Unterstützung der Mehrheitsfraktion und Sozialverwaltung der Stadt Dortmund in die Realität umgesetzt. Die Einsparungen im kommunalen Haushalt Ende der 90er Jahre führten jedoch dazu, dass Neuanträge leistungsberechtiger beeinträchtigter Menschen durch den Sozialhilfeträger nicht mehr bewilligt wurden. Die in der Bundesrepublik als Modelleinrichtung zu bezeichnende Wohntrainingsgruppe (WTG) geriet seit 1997 in die Schusslinie des Sozialamtes.

Ein bisher bestehender Bedarf in Dortmund schien abgearbeitet – alle Anträge auf Kostenübernahme von Bewerberinnen und Bewerbern wurden zukünftig abgelehnt. Anfragen aus anderen Kommunen wurden nach Rücksprachen mit dem Dortmunder Sozialamt zurückgezogen. Die Auseinandersetzungen zwischen den Betroffenen bzw. dem Projektbereich Behindertenarbeit und der Sozialverwaltung nahmen zu. Es wurde auch mit der Heimaufsicht gedroht, weil die Bezirksregierung Arnsberg und der Landschaftsverband Westfalen-Lippe die WTG als stationären Streitpunkt betrachteten. Auf Nachfrage des Projektbereiches Behindertenarbeit wurde der Status „Stationäre Einrichtung“ von den zuständigen Institutionen nicht bestätigt.