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Chronik 2001 – 2003:

Von der neuen Liquidität bis zum Kostenträgerwechsel

Die Insolvenz als Chance für eine gesichertere Zukunft

Die Einleitung des Insolvenzverfahrens war einerseits aus wirtschaftlichen Gründen notwendig – sonst wäre der Antrag beim Amtsgericht nicht eingereicht worden – andererseits bot die Eröffnung des Verfahrens für die Bund Deutscher Pfadfinder – Soziale Dienste gGmbH durch die Bestellung eines neutralen Insolvenzverwalters auch die Möglichkeit, Gespräche mit der Stadt Dortmund wieder aufzunehmen und die bestehenden Fronten dadurch aufzubrechen. Zudem zog das Insolvenzverfahren eine grundsätzliche Prüfung des Betriebs nach sich, die im Abschluss den Beweis bot, dass in jeglicher Hinsicht wirtschaftlich und entsprechend aller rechtlichen Vorschriften gehandelt worden ist.

Neben den rein formalen Abläufen spielte die gut vorbereitete Öffentlichkeitsarbeit und das abgestimmte Vorgehen mit dem Landesverband des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes eine wesentliche Rolle. In öffentlichen Veranstaltungen, im Rahmen der Besetzung des Rathausfoyers durch die Kundinnen und Kunden des ISB-Dienstes sowie durch die Information des Ausschusses für Soziales und Familie im Rat der Stadt Dortmund, wurde deutlich gemacht, dass es sich beim Kundenkreis der Bund Deutscher Pfadfinder – Soziale Dienste gGmbH um einen Personenkreis handelt, der von anderen konventionellen Kranken- und Altenpflegediensten nicht übernommen werden kann. Anfragen von Kundinnen und Kunden bei anderen Diensten belegten diese politische Aussage. Unterstützt wurden die Kundinnen und Kunden und der Dienst auch durch den Aktionskreis „Der behinderte Mensch in Dortmund“. Es galt zu vermeiden, dass sich Kundinnen und Kunden bei Einstellung des ISB-Dienstes gegen ihren Willen in eine stationäre Einrichtung hätten einweisen lassen müssen, da ihre ambulante Versorgung nicht hätte sichergestellt werden können.

Die langwierigen Verhandlungen mit der Stadt Dortmund führten im Ergebnis dazu, dass alle Kundinnen und Kunden neu begutachtet wurden und eine überwiegend bedarfsdeckende Neufestsetzung der Hilfen in besonderen Lebenslagen stattfand. Die Stundenvergütung des Dienstes wurde angehoben, sodass die Liquidität langfristig gesichert war. Die Klagen der Kundinnen und Kunden vor dem Verwaltungsgericht wurden daraufhin zurückgezogen.

Es bleibt festzuhalten, dass die Einleitung des Insolvenzverfahrens zum Fortbestand des Dienstes notwendig war, da nur durch das abgestimmte Zusammenspiel von Öffentlichkeitsarbeit auf allen politischen Ebenen und konkreten Verhandlungen das selbstständige und selbstbestimmte Wohnen außerhalb von stationären Einrichtungen für die Kundinnen und Kunden sichergestellt werden konnte. Auch der ISB-Dienst hatte wieder eine gesicherte wirtschaftliche Basis.


Schöne neue Welt unter dem Dach des Landschaftsverbandes?

Seit dem 01.07.2003 ist der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (überörtlicher Träger der Sozialhilfe) u.a. zuständig für die Leistungen der Individuellen Schwerstbehindertenbetreuung (ISB). Neben der ISB betrifft der Zuständigkeitswechsel insbesondere das so genannte „Ambulant Betreute Wohnen“ für psychisch und suchterkrankte sowie geistig beeinträchtigte Menschen. Rechtsgrundlage hierfür ist die Änderung der Verordnung zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) durch die Landesregierung Nordrhein Westfalens.

Ausgangspunkt dieser grundsätzlichen Neuregelung in Nordrhein-Westfalen war die durch die zuvor verantwortlichen Kommunen sehr unterschiedliche Umsetzung des BSHG-Grundprinzips „Ambulant vor Stationär“. Neben Kommunen, die ambulante Strukturen für Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen schon vor vielen Jahren mit den Trägern der freien Wohlfahrtspflege planten und gemeinsam installierten, verwiesen andererseits viele Kommunen auf die bestehenden traditionellen stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe. Für den kommunalen Haushalt war der Verweis auf stationäre Behindertenhilfeeinrichtungen sehr attraktiv, da dieser hierdurch nicht direkt belastet wurde. Die Kosten für die stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe wurden durch die beiden Landschaftsverbände getragen. Demgegenüber gingen die Kosten für den ambulanten Bereich bis zur Neuregelung am 01.07.2003 direkt zu Lasten der Städte und Kreise. Die finanzwirtschaftliche Zuständigkeit zementierte somit die traditionellen Strukturen der Behindertenhilfe und verhinderte innovative, die gesellschaftliche Einbindung fördernde und die Selbstbestimmung behinderter Menschen stärkende, Modelle.

Die Landesregierung griff diese Problematik mit der Änderung der Verordnung zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes auf. Die Entscheidung, die Kostenträgerschaft sowohl für die stationären als auch für die ambulanten Einrichtungen – Ambulant Betreutes Wohnen im Sinne des Leistungstyps „I“ und Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung im Sinne des Leistungstyps „G“ der Rahmenvereinbarung gemäß § 93 d BSHG – in die Hand der beiden Landschaftsverbände zu legen, hat weit reichende sozialplanerische Konsequenzen. Die beiden Landschaftsverbände haben im Rahmen ihrer neuen Zuständigkeit für den ambulanten und stationären Bereich die Verantwortung und Aufgabe, das BSHG-Grundprinzip „Ambulant vor Stationär“ flächendeckend und langfristig einheitlich zu realisieren.

Der Projektbereich Behindertenarbeit und die Bund Deutscher Pfadfinder – Soziale Dienste gGmbH werden sich auch weiterhin gemeinsam mit den Kunden für die Selbstbestimmung behinderter Menschen, die auf Pflege und Assistenz angewiesen sind, einsetzen. Es gilt hierbei, den erreichten Status Quo, der in langen Verhandlungen mit der Stadt Dortmund erreicht wurde, auch unter dem Dach des Landschaftsverbandes zu sichern.